von Horst Peter Helmer, Jahrgang 1930
Dieser Erlebnisbericht ist eine schriftliche Fassung meiner Zeitzeugenaussage im Rahmen der Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft Hof vom Leid und Sterben deutscher Bürger in der Nachkriegszeit 1945 / 1946 in Saaz, Postelberg und Maltheuern bei Brüx im ehemaligen Sudetenland.
Die Staatsanwaltschaft Hof untersucht Verbrechen bei der Vertreibung der Deutschen aus ihrer angestammten Heimat im Sudetenland in Nord-Böhmen. Auf Verlangen der Kriminalinspektion Schwabach, Mfr. habe ich nachfolgende Aussagen über die Ereignisse in Saaz und in Postelberg in der Zeit vom 3.bis 8. Juni 1945, aus meinen Erinnerungen heraus, in Form eines Gedächtnis-Protokolls und als Ergänzung zu meinem Erlebnisbericht vom Januar 2001, unter dem Titel „Wider das Vergessen“ niedergeschrieben.
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Mit der Kundmachung der Benesch-Dekrete am 19. Mai 1945 wurden in der Tschechoslowakischen Republik alle Deutschen zu staatlich unzuverlässigen Personen erklärt und das gesamte deutsche Vermögen unter “nationale Verwaltung” gestellt. Am 2.Juni 1945 wurde Saaz von den sowjetischen Kampfverbänden an die tschechische Verwaltung übergeben. Truppen des tschechischen Generals Svoboda und tschechische Horden besetzten daraufhin die Stadt. Am Sonntag, dem 3. Juni 1945, erfolgte auf Befehl der tschechischen Stadtverwaltung die verhängnisvolle Austreibung der Saazer Männer. Diese erfolgte auf brutalste Weise.
In den frühen Morgenstunden hörten wir über die auf Autos montierten Lautsprecher, dass sich alle deutschen Männer sofort zum Ringplatz/Marktplatz begeben müssen. Dann drangen tschechische Soldaten, Gendarmen und Milizionäre in alle Häuser ein und trieben die bis 65 Jahre alten deutschen Männer und Jugendliche ab 13 Jahre mit Schlägen und Fußtritten aus ihren Wohnungen und weiter bis zum großen Ringplatz, der als Sammelplatz diente. Die Straßen hallten wider von Schreien, Flüchen und Schüssen. Kranke und Gebrechliche wurden von den tschechischen Unholden, die teils beritten waren, gnadenlos geschlagen, unmenschlich behandelt oder erschossen.
Tschechischer Willkür ausgesetzt
Auf dem Ringplatz übten der später als der “Henker von Postelberg” bekannt gewordene tschechische Polizei-Kapitän Marek (vorher war er Protektorats-Polizist), seine jugendlichen Mordgehilfen, die Brüder Petroluk, Svoboda-Soldaten und viele bewaffnete Zivil-Tschechen ihren menschenverachtenden Terror auf uns über 5000 zusammengetriebenen Deutschen aus. Wer während des stundenlangen Stehens in der immer stärker werdenden Tageshitze auffiel, oder infolge Ungeschicklichkeit oder körperliche Schwäche die befohlene Aufstellungsordnung nicht einhielt, wurde geschlagen und misshandelt. Auch die zu spät Gekommenen wurden so bestraft.
Verboten war auch das Verlassen der Reihe zur Verrichtung der Notdurft. Immer wieder wurden welche gepeitscht, geprügelt und umgebracht. Einen Toten sah ich neben dem Rathaus. Einen anderen Toten beim Kriegerdenkmal und einen weiteren vor den Lauben bei der Eisdiele Anastas. Kapitän Marek erschoss kaltblütig einen Nachzügler vor unseren Augen. Zu unserer aller Warnung, wie er grinsend sagte. Zudem erklärte er, dass alle Deutschen ohne Ausnahme rechtlose Verbrecher seien und als solche auch so behandelt werden müssen. Gegen 14 Uhr erfolgte der Abmarsch in Achterreihen und in drei Kolonnen. Flankiert von wild fluchenden tschechischen Begleitposten und berittenen Svoboda-Soldaten marschierten wir durch das Priestertor, über den Pflasterberg und über die Eger-Brücke dem Ungewissen entgegen.
Schläge mit Knüppeln, Peitschen und Gewehrkolben
Auf der Landstraße nach Postelberg schlugen die Begleitposten und ihre Gehilfen mit Knüppeln, Peitschen und Gewehrkolben immer wieder auf uns ein, um die Marschkolonnen ständig und schneller voran zu treiben. Vom langen Stehen in der glühenden Sonne, vom Marschieren und vom dabei aufgewirbelten Straßenstaub waren unsere Kehlen völlig ausgetrocknet. Wir hatten alle großen Durst. Trotzdem trieb man uns rücksichtslos und unbarmherzig weiter. Viele geschwächte und kranke Männer konnten nicht mehr weiterlaufen und blieben zurück. Sie wurden von den Tschechen auf bestialische Weise totgeschlagen, erschossen und in den Straßengraben geworfen.
Ich habe sieben Tote gezählt, hörte aber auch Schüsse und Schreie bei den anderen Kolonnen. Sicher wurden dort auch welche umgebracht. In unserer Reihe halfen wir uns gegenseitig so gut es eben ging und erreichten nach etwa 4 Stunden die Kleinstadt Postelberg. Diese schien ausgestorben. Vom grausigen Schicksal, das die deutschen Einwohner bereits erlitten hatten, wussten wir damals nichts. Uns trieb man in die alte Kavallerie-Kaserne. Im Kasernenhof mussten wir uns auf den schmutzigen, staubigen Erdboden hinsetzen. Fortan durften wir unseren Sitzplatz nicht mehr verlassen. Es gab nichts zu essen und nichts zu trinken. Mit kleinen Kieselsteinen im Mund versuchten wir etwas Speichel zu erzeugen. Es half nur wenig.
Frierend haben wir die Nacht verbracht, insbesondere betraf das uns Jungendliche, denn die meistens hatten nur leichte Sommerkleidung an. Die tschechischen Wachen um uns herum drohten ständig jeden zu erschießen, der versuchen würde seine Notdurft an einem anderen Ort im Kasernenhof zu verrichten. Plötzlich erschall wieder ein tschechisches Kommando. Professor Worzfeld, unser ehemaliger Mathematikprofessor im Saazer Gymnasium, übersetzte uns, die wir nahe um ihn herum waren, den Befehl: „Jeder muss auf seinem Platz sitzen bleiben.“
Der Sadismus tobt sich aus
Viele von uns Gefangenen, die das tschechische Kommando nicht verstanden hatten, erhoben sich. Sofort wurde gezielt auf sie geschossen. Sogar Handgranaten detonierten. Es gab viele Verwundete, Schwerverletzte und Tote. Auch in meiner unmittelbaren Nähe wurden zwei Männer verletzt und einer sogar tödlich getroffen. Welche von uns mussten die Toten und Schwerverwundeten zu den stinkenden ehemaligen Bombensplitter-Schutzgräben tragen und hineinwerfen. Hernach ermordeten unsere tschechischen Bewacher die noch Lebenden durch Schüsse. Lagerkommandant Marek nannte sie grinsend „Gnadenschüsse“. Später mussten wir diese Gräben als Latrine benutzen. Sie wurden zu den unwürdigsten Gräbern für viele Saazer Männer und Jungen.
Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die ungeheuerliche Nachricht, dass ein 17 jähriger deutscher Saazer – bis zum Kriegsende 1945 war er Hitlerjunge – ab dann war er urplötzlich Antifaschist und Antinationalsozialist – den jugendlichen tschechischen Wachposten Petroluk aufforderte den in seiner Nähe liegenden deutschen Schwerverwundeten, den Saazer Baumeister Josef Heinzel, zu erschießen, weil er dessen andauernden Hilferufe, das qualvolle Jammern und Stöhnen nicht länger mit anhören konnte und wollte. Das war „Anstiftung zum Mord“! Denn Baumeister Heinzel wurde unmittelbar danach vom jungen tschechischen Wachposten Petroluk erschossen. Leider blieb diese verwerfliche und unmenschliche Tat bis heute ungesühnt. Es wurde berichtet, dass dieser 17 jährige deutsche Anstifter – er lebt noch heute – bereits am zweiten oder dritten Tag aus der Lagerhaft entlassen und von seinem „Fürsprecher“ aus Saaz abgeholt wurde.
Wer etwas verheimlicht, wird mit dem Tode bestraft
Neue Kommandos und Befehle erschallten. Alle hatten ihr Geld, Schmuck und andere Wertgegenstände abzugeben. Es hieß: Wer etwas verheimlicht, wird mit dem Tode bestraft. Keiner zweifelte an der Ernsthaftigkeit dieser Drohung. Die von uns abgelieferten Wertgegenstände füllten große Kisten. Anschließend wurden wir gründlich durchsucht. Auch die Schuhe mussten wir ausziehen. Sachen, die für die Tschechen wertlos waren, wie Dokumente, Briefe, Medikamente, wurden auf einen Haufen geworfen und angezündet. Während den Aktionen gingen die tschechischen Sadisten wüst fluchend, schlagend und rücksichtslos durch unsere Reihen. Erneut erlebten wir einen sehr heißen Tag und eine kalte Nacht wieder ohne Essen und Trinken. Am nächsten Morgen begann der Lagerkommandant Marek mit der Sichtung.
Die ehemaligen Angehörigen der SS, NSKK, SA, der Wehrmacht, Polizei, die politischen Leiter, NSDAP-Parteigenossen und die ehemaligen Angehörigen der Sudetendeutschen Partei sollten sich freiwillig melden. Es herrschende ein Durcheinander, denn die Missverständnisse waren groß. In welche Gruppe sollte sich ein ehemaliger Soldat oder SS-Mann, der auch Angehöriger der NSDAP war, einordnen? Es ist mir nicht mehr möglich alles so genau zu beschreiben, wie und was sich in diesen Tagen auf dem heißen und stinkenden Kasernenhof zugetragen und abgespielt hat
Hier wurde geschossen, dort geschlagen, da schleifte man Leichen, laut schreiende Verwundete und Kranke weg. Welche von uns wurden aussortiert und fortgetrieben. Andere wieder hinter Stacheldraht und in leere Pferdeställe eingesperrt. Der ganze Hof hallte wider von tschechischen Kommandos, Geschrei und wüstesten Schimpfworten. Einige von uns gelang es aus einem alten Brunnenloch etwas Wasser zu schöpfen. Leider war unsere Gruppe zu weit weg davon. Somit gab es für Tausende von uns weder Essen noch Trinken. Gegen Abend durften einige Geistliche, Ärzte, Halbjuden, ehemalige KZ-Häftlinge und die angeblichen so genannten Antifaschisten die Kaserne verlassen.
Grausame Exekution von fünf Jugendlichen
In dieser so hoffnungslosen Zeit, völlig demoralisiert und dem Wissen um den immer schwächer werdenden Selbsterhaltungstrieb, hatte wohl jeder von uns mit dem Leben abgeschlossen. Die Menschenopfer dieser Tage konnten später nur ungenau bestimmt werden. Die Nacht war wieder kalt und erfüllt von Schüssen und von den Schreien der Schwerverletzten und Gepeitschten. Am nächsten Morgen ging es mit der Aus- und Einsortierung weiter. Einige Kolonnen mit Zivilgefangenen verließen die Kaserne. Sie kamen nicht wieder.
Fünf Jugendlichen gelang ein Ausreißversuch. Leider wurden sie kurz darauf beim Essen von Äpfeln in einem Garten entdeckt, eingefangen und dem Kommandanten Marek vorgeführt. Zur Strafe mussten sie in der Nähe der alten Reithalle die Hosen ausziehen. Die Züchtigung begann. Widerlich lachend schlugen die tschechischen Sadisten erbarmungslos mit Stöcken und Peitschen auf die weinenden, um Hilfe rufenden und um Gnade bettelnden 13 bis 15 jährigen ein. Das Blut rann ihnen dabei an den Beinen herunter.
Für uns war es schrecklich dieses unmenschliche Tun mit ansehen zu müssen. Zitternd vor Hilflosigkeit und Erregung verfolgten wir die entsetzliche Szene. Plötzlich verkündete ein Bewacher: Wer einen Fluchtversuch unternimmt, wird erschossen, so wie jetzt diese 5 Knaben erschossen werden! Sogleich wurden die Jungs gegen die Wand gestellt. Voller Angst bettelten sie um Erbarmen und riefen in ihrer Not nach ihren Müttern. Wir alle glaubten, dass die tschechischen Schergen zum Schluss doch nicht schießen würden. Es war ein Trugschluss.
Zwei tschechische Wächter legten an und feuerten tatsächlich auf den ersten Knaben. Dieser sackte sofort zusammen und sein Blut rötete die Wand. Eine schreckliche Szene. Daraufhin flehten die 4 anderen Buben: “Herr Kapitän“, wir wollten nicht fliehen und wir werden auch keine Äpfel mehr stehlen. Wir taten es doch nur aus Hunger. Um Gnade bittend ging einer von ihnen auf die mörderischen Henkersknechte zu. Rücksichtslos wurde er von diesen zusammengeschossen. Gnadenlos setzten die tschechischen Mörder ihr Massaker fort.
Bei einem wurde die Halsschlagader getroffen. Vom verspritzen Blut geröteter Mörtel platzte von der Mauerwand ab. Der fünfte blieb nach der ersten Salve stehen und schaute mit aufgerissenen Augen stumm in die Mündung der erhobenen Gewehrläufe. Erst durch weitere Schüsse wurde er zu Boden geschleudert. Mehrere Salven aus einer Maschinenpistole töteten die Sterbenden vollends.
Hilf- und wehrlos
Zwangsläufig mussten wir, die in der Nähe dieses Geschehens auf der Erde saßen, gebannt und entsetzt dem bestialischen Morden zusehen. Ein Widerstand oder Eingreifen unsererseits, um dieses beispiellose Verbrechen zu verhindern, hätte zu einem wahren Gemetzel unter uns, den über 5000 Wehrlosen geführt. Denn bei den Kasernentoren waren jeweils zwei schwere Maschinengewehre aufgestellt. Zudem hielten viele mörderische Wachposten ihre Waffen erwartungsvoll und schussbereit auf uns gerichtet. Sie hofften sehr auf ein Eingreifen von uns. Denn nur allzu gern hätten sie uns Deutsche auch gnadenlos zusammengeschossen.
Die seelischen Qualen sollten an diesem Tag kein Ende nehmen. In den Pferdeställen, an der hinteren Schmalseite des Kasernenbaus, wurden Gefangene stehend eingepfercht. Gerhard Skalla war auch einer von ihnen. Durch die darin herrschende Hitze und den Sauerstoffmangel starben viele. Außerdem drangen Tschechen mit Stöcken und Peitschen bewaffnet in die Ställe ein. Danach hörten wir anhaltendes Stöhnen und Schmerzgeschrei. Das alles war schrecklich deprimierend und hoffnungslos.
Am vierten Tag wurde zum ersten Mal etwas Nahrung ausgegeben. Zehn Gefangene erhielten ein kleines Brot und ein wenig Wasser. Ohne Messer und Trinkgefäße verlief die Aufteilung unter uns Gefangenen nicht ohne Missgunst und Streit. Jeder glaubte der Benachteiligte zu sein. Unser aufgeregtes Verhalten steigerte wiederum die Tollheit der tschechischen Bewacher. Hier wurden welche mit Füßen getreten, dort geohrfeigt, hier hetzte man einen Wachhund auf Gefangene, dort wurden welche ausgepeitscht.
Gezwungen zu Falschaussagen
Nach dem Haupttor, auf der linken Seite des Kasernengebäudes, befand sich ein mit Stacheldraht umzäuntes Areal. Darin waren die von Mörder-Marek, so nannten wir ihn inzwischen, aussortierten und als „Nazi-Verbrecher“ eingestuften Gefangenen eingesperrt. Zur Strafe und auf Befehl mussten sich welche in Zweier-Gruppen gegenüberstellen und gegenseitig mit Knüppeln rücksichtslos prügeln, andere wiederum ohrfeigten oder peitschten. Posten wachten darüber, dass die Schläge auch hart genug ausgeführt wurden. Andere Gefangene hat Marek selbst gefoltert und zu Falschaussagen und Selbstbeschuldigungen gezwungen. Ich sah wie vier verletzte Deutsche mit Schlägen und Schüssen getötet und hernach ebenfalls in die Latrinen-Gräben geworfen wurden.
Zu Besuch kamen auch tschechische Frauen in den Kasernenhof. Lachend und feixend schauten sie sich die anhaltenden Quälereien und Morde an, die von ihren Landsleuten begangen wurden. Am Spätnachmittag erfolgte der erste Abtransport von vielen Saazer Männern. Sie kamen auch am nächsten Tag nicht zurück. Wieder wurden Gefangenen in einen Stall gepfercht. Es sollen über 200 gewesen sein. Nicht alle haben diese Tortur überlebt. Sie starben durch Hitzschlag und Sauerstoffmangel. Die verzweifelten Hilferufe blieben ungehört.
Früh um 7 Uhr öffnete man die Tür. Die Herausströmenden warfen sich schwer atmend auf die Erde, ihre Gesichter waren durch die erlittenen Qualen verzerrt. Einer wankte Hilfe suchend zu einem Posten hin und wurde von diesem gnadenlos zusammengeschossen. Manche wollten etwas sagen, brachten jedoch nur ein unverständliches Krächzen hervor. Die meisten Gequälten waren völlig verwirrt und teilnahmslos. Ein ehemaliger Hauptmann ging zum Lagerkommandanten Marek und bat ihn, entweder nach der Genfer-Konvektion behandelt zu werden oder wie ein deutscher Offizier sterben zu dürfen. Daraufhin musste er sich hinknien und erhielt vom Mörder Marek einen „wohlwollenden“ Genickschuss. Nicht nur dieser Tote, sondern auch andere Tote und Verletzte mussten von uns Gefangenen weggetragen und in die nach Fäkalien stinkenden Gräben im Kasernenhof geworfen werden.
Massenmorde
An diesem Tag begannen die Massenmorde. Immer wieder wurden größere Trupps zusammengestellt und zum hinteren Kasernentor hinaus geführt. Sie kamen nicht mehr zurück. Wir hörten Schüsse. Keiner von uns Zurückgebliebenen wusste damals, was mit diesen Menschen geschehen ist. Späteren Nachforschungen haben ergeben, dass die Saazer Männer, die im „Fasangarten“ und an anderen Stellen um Postelberg herum erschossen und in Massengräbern verscharrt wurden, weit mehr als 1200 waren.
Am fünften Tage wurden hunderte zu Zwangsarbeiten in die Arbeitslager und Bergwerke nach Joachimsthal und Klatno gebracht. Andere hatten Glück und kamen nach Saaz in die dortigen Arbeitslager. Um die 1500 wurden mit Lastkraftwagen nach Maltheurn bei Brüx transportiert und in die dortigen ethnischen Zwangsarbeitslager Tabor 27, 28 und 17/18 eingesperrt. Zusammen mit meinen Freunden Franz Wolfram, Heinz Happich, Ruthard Blumauer, Heinz Deimling, Werner Funk und anderen Jugendlichen kam auch ich in das berüchtigste aller Lager, in das Straflager für Naziverbrecher „Tabor 28“.
Das geschah alles willkürlich ohne besonderen Grund.
Tief ins Gedächtnis eingeprägt
Jeden Tag marschierten wir unter martialischer Bewachung in die „Stalin Werke“. Es waren die ehemaligen Hermann-Göring-Benzin und Öl-Hydrierwerke. Dort verrichteten wir unter strengster Aufsicht schwerste körperliche Aufräumungsarbeiten. So bargen wir auch die während des Krieges durch alliierte Bomben getöteten, halb verwesten und verbrannten Menschen aus den Trümmern. Es war alles ein unbeschreiblich schreckliches Geschehen. Über die in dieser Zeit von Tschechen an Deutschen begangenen Nachkriegsverbrechen und abscheulichen Geschehnisse, von denen ich viele mit ansehen und erleben musste, habe ich in meinem Erlebnisbericht unter dem Titel “Wider das Vergessen” ausführlich dargestellt.
Diesem wahrheitsgetreuen Bericht liegen die in meinem Gedächtnis tief eingeprägten und leider unauslöschbaren Erinnerungen an diese grausame Zeit zu Grunde. Die Eingangs von mir genannte Anzahl an ermordeten Saazer Deutschen habe ich selbst gesehen, diese entspricht jedoch keinesfalls der Anzahl derer, die tatsächlich von den damals ausgesprochen sadistischen Tschechen in dem angegebenen Zeitraum und in und an den genannten Orten bestialisch umgebracht worden sind.
Ein Handskizzen-Lageplan über die Hinrichtungsstätten und Massengräber in und um Postelberg liegt bei. 1945 wurden von den Tschechen im Fasangarten 763 Mordopfer exhumiert und an einen unbekannten Ort verbracht. Das wurde inzwischen von amtlicher Seite in Prag bestätigt.
Horst P. Helmer (Muhr am See, 28. März 2001)
Zu dem Thema
Private Homepage von Horst Helmerr
Wider das Vergessen – von Horst Helmer
Die Massaker von Postelberg – Erinnerungen an 1945 – von Hilde Dalbert-Gundermann
Die grauenvollen Tage von Saaz und Postelberg
Gegen das Vergessen – von Gerhard Illing