Horst Helmer sprach im St.-Antonius-Friedhof in Zatec / Saaz zu „Allerseelen“ am 2.November 2012. Seine Rede erschien zudem in der Sudetenpost.
Heute, 67. Jahre nach dem von Prag, in der Nachkriegszeit 1945, gegen Deutsche angeordneten Pogrom, sind nur noch wenige unter uns, die in dieser unheilvollen Zeit in Saaz waren und schon gar nicht solche, die Augenzeugen oder Betroffene waren. Viele treue Besucher dieser Gedenkstätte mussten aus gesundheitlichen Gründen absagen, leider auch Frau Illing und mein Freund Gerhard Mühlstein.
Wir treten in eine Zeit ein, in der es bald keine Zeitzeugen der damaligen furchtbaren Ereignisse mehr geben wird.
Als einer der letzten Zeitzeugen, die den 3. Juni 1945 in Saaz, den Todesmarsch nach Postelberg, die Zwangsinhaftierung in Postelberg, die anschließende Zeit in den Konzentrationslagern Tabor 28 und Tabor 17/18, sowie die Zwangsarbeit in den „Stalin Hydrierwerken“ in Brüx / Maltheuern überlebt haben, möchte ich, in meinem 83.Lebensjahr, auf folgendes hinweisen.
Es bricht eine Zeit an, in der verstärkt Pseudohistoriker auch über Irrlehren über die menschenverachtenden, politisch geprägten Geschehnisse, die in den vergangenen 160 Jahren, speziell zwischen 1918 bis 1938 und 1945-1946, an Deutschböhmen begangen wurden, berichten werden. In der Vergangenheit mussten sie sich angesichts der Zeitzeugen etwas zurückhalten. So ähnlich sagte es auch Herr Gerold Fritsche am 31. Juli auf der Aussiger Brücke.
Der deutsch / tschechische „Förderverein der Stadt / Žatec e.V. weist in Begleittexten seiner Wanderausstellung „Opfer der kommunistischen Macht im nordböhmischen Grenzgebiet in den Jahren 1945-1946“, die jetzt unter dem korrigierten Namen „Die Vertreibung der Deutschen aus Nordböhmen 1945“ in deutschen Städten gezeigt wird, darauf hin, dass die Gründe für das an Deutschen begangene Pogrom und die Zwangsvertreibung der Sudetendeutschen auf die von Nationalsozialisten ausgeübte Gewaltherrschaft in Böhmen ausschlaggebend waren. Diese Aussagen sind fundamentale Geschichtsfälschungen!“
Dr. Johannes Sziborsky schreibt im Heimatbrief Saazerland: „Die Schrecken der Nazizeit sollten nicht derart in den Vordergrund gestellt werden, dass anderes – so die Planung und Durchführung einer ethnischen Säuberung – im Hintergrund verschwindet.“
Der wichtige und lobenswerte Tenor in der aktuellen Wanderausstellung ist allerdings, dass Krieg und Zwangsvertreibung – unabhängig von der Frage individueller Schuld – nur Leid und Schrecken für die betroffenen Menschen bedeutete.
Verpflichtend ist jedoch auch ein wahrheitsgetreuer und offener Umgang mit der historischen Geschichte. Leider wird diese Geschichte absolut nicht erwähnt. Dabei wäre es für uns Sudetendeutsche außerordentlich wichtig, auch die dokumentarischen Fakten klar hervorzuheben.
Mit Bezug auf das Geschehen, weshalb wir heute zu Allerseelen hier stehen, ist folgendes festzuhalten:
Noch bevor die Zeitzeugen endgültig abgetreten sind, ist an dieser Stelle vom ehemaligen Kuturkreis Saaz e.V. mit seinem Vorsitzenden Dr. Gerhard Illing, in enger Zusammenarbeit mit der Stadt Žatec und unserem leider zu bald verstorbenen Freund Hans Ranek, diese jetzt oft besuchte Gedenkstätte vor 5 Jahren errichtet worden.
Jahrzehnte lang haben Deutsche und Tschechen nicht geglaubt, dass Gedenken an dieser Stelle jemals möglich sein wird.
Auch in der Ära der letzten Zeitzeugen und, so bleibt zu hoffen, danach treten mutige Wissenschaftler auf, die sich gegen die derzeit herrschende Meinungsrichtung der Gefälligkeitshistorie mit weiteren Fakten zu Wort melden.
Hier sei an den Bericht „Die historische Wahrheit“ von der tschechischen Autorin Daniela Horakova und an die Bücher des tschechischen Historikers Tomáš Krislik, „Verschwiegene Geschichte 1918-1938 und 1948-1968“, erinnert. Die Titel weisen auf die Tatsachen hin, die zwar allerorts offenkundig sein müssten, sich aber meist verschämt hinter dem Schleier der Opportunität verbergen.
Wir sind heute zu „Allerseelen“, an dem Tag an dem das Gedächtnis der Verstorbenen begangen wird, hier versammelt, um all der Opfer zu gedenken, die in den Kriegsjahren und Nachkriegsjahren der politischen Gewalt erlegen sind.
Im Namen aller Opfer dieser Zeit, danke ich allen, die heute aus diesem Anlass den weiten Weg hierher zu unserer blumengeschmückten Gedenkstätte gefunden haben und sich an die Seite der Opfer oder an die Seite derer gestellt haben, die in dieser Stadt, in diesem Land und in Deutschland ihrer gedenken.
Insbesondere gilt unser aller Dank Frau Oberbürgermeisterin Hamousová, Herrn Bürgermeister Novotny von der Stadt Žatec und den anwesenden tschechischen Besuchern. Ihre Anwesenheit ist ein Beweis für ihre Anteilnahme und für das uns ehemaligen Saazern entgegengebrachte Verständnis. Beides werten wir gerne als Zeichen einer wachsenden Freundschaft zwischen wahrheitsliebenden und verzeihenden Menschen.
Meine in Saaz geborene Schwester Lilo und ich, danken meinem Sohn Jan sehr herzlich dafür, dass er unsere Anwesenheit ermöglicht hat. Er beweist damit auch seine Verbundenheit zu Saaz / Žatec und Liebotschan, die Stätten unserer Vorfahren, die er in den vergangenen Jahren mit seinen Familienangehörigen schon öfters besucht hat. Leider konnten meine Frau und meine beiden Enkelsöhne heute nicht mitkommen.
Sehr verehrte Frau Oberbürgermeisterin Hamousova, nachdem Sie bereits unsere „Stiftung Saazer Heimatmuseum“ in Georgensgmünd besucht haben, lädt Sie und weitere Repräsentanten Ihrer Stadt Žatec unser Stiftungsvorsitzende, Herr Dr. G. Illing, gerne zu einem Besuch unseres neu eröffneten Informationszentrums „Stiftung Saazer Heimatmuseum“ in Schweinfurt ein.
Eine Richtigstellung gegen anders lautende Berichte:
Weder der „Förderverein der Stadt Saaz / Žatec e.V.“ mit Sitz in Frankfurt, dieser Verein ist rein politisch orientiert ist, noch der „Heimatkreis Saaz. e.V., haben irgendwelche Rechte und Anteile an unserer „Stiftung Saazer Heimatmuseum“ in Georgensgmünd und in Schweinfurt. Beide Museen dienen nur der Erinnerung und Bewahrung der ehemaligen deutschen Kultur im Saazerland und sind Alleineigentum der „Stiftung Saazer Heimatmuseum“. Beide Saazer Heimatmuseen werden ausschließlich von der Stiftung betrieben und finanziell unterhalten.
Ich schließe mit einem „Na Shledanou“ und einem „Auf Wiedersehen“ im Jahre 2013.
Horst Helmer
Weitere Texte von Horst Helmer finden Sie auf seiner Homepage https://sites.google.com/site/helmermuhr/