Zum Gedächtnis dem Dichter Johannes von Saaz dem Verfasser des Streitgespräches : „Der Ackermann und der Tod “ des bedeutendsten Prosawerkes des deutschen Humanismus aus dem Jahre 1400.
So stand es auf einer Gedenktafel die im Herbst 1921 am Rathaus in Saaz angebracht, aber 1935 auf Anordnung der tschechischen Regierung in Prag entfernt werden musste. Von seinen zahlreichen Schriftsätzen, dem Stadtbuch mit den Aufzeichnungen aller wirtschaftlichen und rechtlichen Vorkommnisse, Ratsbeschlüssen, Urkunden, Steuerberichten, wichtigen Briefen, Kaufabschlüsse, die er in seiner beinahe dreißigjährigen Tätigkeit als Stadtschreiber, Stadtnotar, Rechtspfleger und Rektor der Lateinschule in Saaz verfasst hat ist nach den furchtbaren Hussitenkriegen (1419 – 1436) fast nichts der Nachwelt erhalten geblieben. Selbst seine Biografie ist sehr lückenhaft.
Weder das Geburts- noch das Todesdatum sind bekannt. Wahrscheinlich wurde Johannes im Juli 1359 in Schüttwa (Sitbor / Sytbor) einem kleinen Ort etwa 2 km südwestlich von Ronsperg (heute Pobezovice) bei Bischofteinitz (Horsovsky Tyn) als erstes Kind der Eheleute Henslin geboren.
Das ist belegt durch einen Bericht, dass er an einem heißen Tag im Ährenschnitt zur Welt kam. Nach vorliegenden Überlieferungen stammen seine Eltern aus der Oberpfalz. Sein Vater war als zweitgeborener Sohn mit seiner Frau bei seinem Bruder beschäftigt, aber die Ernteerträge reichten nicht aus, um neben dem „Ausgedinge“ für den Altbauern noch die Familie seines Bruders ernähren zu können.
Nach einer Empfehlung des Klosters in Waldsassen, das zu dieser Zeit den Zisterziensern gehörte sollten sie nach Tepl ziehen. Kaiser Karl der IV. (1346 – 1378), dem Böhmen sehr viel zu verdanken hat, schenkte dem Kloster Tepl Grundbesitz, das neuen Siedlern zur Verfügung gestellt wird, wenn sie bereit waren die Waldflächen zu roden und in Ackerflächen zu verwandeln. Von den dort ansässigen Mönchen würden die Neusiedler unterstützt und auch den Winter über mit Lebensmittel versorgt werden.
So machten sich die jungen Leute, Henslin mit seiner Frau im Herbst 1358 auf den Weg. Sie führten eine Kuh und eine Ziege mit, beladen mit einem Sack Saatgut und einer Truhe mit Werkzeugen und etwas Hausrat. Der Fußmarsch war sehr beschwerlich und führte über den Oberpfälzer Wald und unwegsamen Gelände über den Böhmerwald. Durch die großen Anstrengungen und Beschwernissen und einer Fußverletzung der Frau, die nicht mehr weiter laufen konnte mussten sie aus Erschöpfung eine größere Rast einlegen. Ihr Mann fand auf der Suche nach Hilfe eine kleine Siedlung in der Nähe, es war Schüttwa.
Überliefert ist, dass seine Frau mit dem Wagen in die Ortschaft gebracht wurde. Der Dorfälteste nahm die jungen Leute auf. Die Bewohner von Schüttwa waren Siedler aus der Regensburger Gegend. Schüttwa wurde die neue Heimat der Eheleute Henslin aus der Oberpfalz. Sie bauten eine Bauernhof auf, kamen zu bescheidenem Wohlstand.
Johannes bekam eine Schwester und einen Bruder. Als Erstgeborener sollte er der Hoferbe werden, für das bäuerliche Leben und Landwirtschaft zeigte Johannes aber wenig Neigung. Er interessierte sich für die Natur, für das Wunder des Wachstums der Pflanzen, wollte lesen und schreiben lernen. Auf Zureden erfahrener Dorfbewohner war der Vater schließlich bereit den Jungen in das Kloster von Tepl zu bringen, dem Kloster auf das die Eltern ursprünglich aufmerksam gemacht wurden, um Ihnen weiter zu helfen. Nun sollte dort ihr Sohn Johannes etwas Ordentliches lernen.
Er nahm Abschied von seinen Geschwistern und seiner Mutter. Der Vater begleitete ihn auf den Weg nach Tepl. Nach 3 Tagesmärschen kamen sie im Kloster an. Der Vater trat am nächsten Morgen den Rückweg an. Johannes blieb 10 Jahre im Kloster. Er war sehr wissbegierig und strebsam, lernte Latein, das Orgelspiel. Nutzte die umfangreiche Bibliothek. Die Mönche und auch der Abt des Klosters erkannten seine ungewöhnlichen Begabungen und schickten ihn, den Klosterschüler 1375 mit einem Empfehlungsschreiben nach Prag.
An der 1348 gegründeten Universität der „Alma mater Antiquissima Carolina“ (Karls Universität) sollte er die Möglichkeit bekommen sein Wissen zu vervollständigen. Wieder ging er zu Fuß von Tepl nach Prag über Eger, Karlsbad, weiter an dem Fluß „Eger“ entlang bis Laun, vorbei an Saaz, die mit Mauern und Türmen umgebene wehrhaft befestigte Stadt am Berg beeindruckte ihn sehr.
In Prag immatrikulierte er sich an der Universität. Das Empfehlungsschreiben des Abtes von Tepl half ihm sehr. Er nahm das Jurastudium auf und bekam auch eine Anstellung in der Schreibstube der kaiserlichen Kanzlei. Bemerkenwert ist, dass er in Prag als der „Johannes,der Henselinus von Tepl“ genannt wurde. In Tepl nannte man ihn „Johannes von Schüttwa“. Es war damals üblich den Vornamen mit dem Herkunftsort zu verbinden. Das erklärt warum Johannes Henslin der Johannes von Schüttwa,der Johannes von Tepl und später als der Johannes von Saaz bekannt wurde. Das Studium an der „Karls-Universität zu Prag „ absolvierte er als „Magister Artium“. Er ging zurück nach Tepl, wo er die Stelle des Lehrers an der Lateinschule und als Schreiber der Stadt antreten konnte.
Nach einem Jahr, also in 1382 ,Johannes war jetzt 23 Jahre alt, erfuhr er, dass in Saaz die Stelle des Rektors an der Lateinschule frei würde. Er bewarb sich und bekam wegen seiner guten Referenzen und Vorbildung die Stelle in Saaz. Nach Erhalt der Bestätigung seiner Einstellung in Saaz ging er zum Richter von Tepl und bat ihm um seine Entlassung und teilte ihm mit, dass er zu Beginn des Jahres 1383 die Stelle eines Rektors der Lateinschule in Saaz antreten könne. Die Kündigung wurde mit Bedauern aber auch mit Verständnis angenommen. Johannes verließ Tepl vor dem Jahresende und besuchte vor Antritt seiner neuen Stelle in Saaz seine Eltern und jüngeren Geschwister in Schüttwa.
Während er als Klosterzögling alle Wege zu Fuß zurückgelegt hatte, fuhr er jetzt als Magister und zukünftiger Rektor der Lateinschule in Saaz mit Ross und Wagen. Saaz war ihm noch in guter Erinnerung geblieben als er sie auf seinem Weg nach Prag vom Fluß aus hoch am Berg liegen sah. Saaz brachte gegenüber dem wesentlich kleineren Tepl doch beträchtlicheVorteile. Bei der Ankunft in Saaz war Johannes beeindruckt als er den Marktplatz sah mit dem neuen Rathaus, umgeben von prachtvollen Bürger- und Patrizierhäusern mit den Laubengängen.
Er betrat das Rathaus um seine Ankunft zu melden. Der Empfang war freundlich, man zeigte ihm seine neue Wirkungsstätte die Lateinschule, die sich auf der rechten Seite eines geräumigen weiteren Platzes hinter dem Rathaus vor der Kirche befand. Über die gute Ausstattung der Schule war er angenehm überrascht. Im Rathaus wurde er anschließend vom Bürgermeister Rutlin von Plan, dem Stadtrichter Frana Regelin und den Geschworenen begrüßt. Man teilte ihm mit, dass er nicht nur als Rektor der Lateinschule, sondern auch als Stadtschreiber, Stadtnotar und Siegelbewahrer berufen wurde. Er bekam eine gute Honorierung. Die Stadt mit seinen etwa 3000 Einwohnern hatte ein reiches Bürgertum, das durch ihre Abgaben den Stadtsäckel füllte.
Johannes Henslin bekam zunächst eine Wohn- und Studierstube im Schulgebäude. Er mietete sich bald in das Haus ein, das der Schule gegenüber lag. Mit Umsicht und großer Sachkenntnis erledigte er zur vollen Zufriedenheit der Mitglieder des Stadtrates seine Amtsgeschäfte. Johannes hatte eine gute Stellung, war jetzt 24 Jahre alt, so ist es nicht verwunderlich, dass er ans Heiraten dachte. Er verliebt sich in die sechzehnjährige Tochter Margaretha des Fleischhauers Frenzlin, der einer einflussreichen Zunft angehörte.
Die Hochzeit fand mit großer Beachtung, mit Glockengeläut, Chorgesang und Orgelmusik an einem Samstag in der Stadtkirche im Jahr 1383 statt. Er gelobte allzeit ein getreuer Ehemann zu sein. Mit seiner angetrauten Frau Margaretha fuhr Johannes nach der Hochzeit zu seinen Eltern und Geschwistern nach Schüttwa. Vierzehn Jahre waren vergangen seit er als Klosterschüler nach Tepl ging. Es war ein Wiedersehen mit seinen Eltern, mit seinem inzwischen erwachsenen Bruder und der halbwüchsigen Schwester, die gerade laufen lernte als er das Elternhaus verließ. Sie wohnten in einem kleinen Haus mit einfachen Holzmöbeln.
Sein Vater hatte ein verwittertes Bauerngesicht, Schwielen an den Händen von der harten Arbeit auch die Mutter sah gealtert aus. Der Rücken war etwas krumm geworden, ein Lächeln lag auf ihrem gutmütigen Gesicht als sie ihren ältesten Sohn mit seiner jungen Frau an seiner Seite begrüßte. Sie blieben nicht lange in Schüttwa und fuhren über Tepl zurück, wo er seiner Frau Margaretha das Kloster zeigte und auch den Stadtrichter besuchte, bei dem er die erste Anstellung als Stadtschreiber hatte. Zurück in Saaz widmete er sich mit vollem Einsatz seinen Verpflichtungen und Aufgaben.
Ein Jahr nach der Hochzeit wurde der erste Sohn geboren. Sie tauften ihn Hieronymus. Johannes Henslin wurde wegen seiner Tüchtigkeit ein wohlhabender Bürger der Stadt Saaz. Für die Lateinschule wurden weitere Lehrkräfte eingestellt. Arme aber begabte Schüler wurden durch Stiftungen unterstützt.
Die Familie Henslin vergrößerte sich rasch, Hieronymus bekam 2 Jahre danach eine Schwester Cristinella und ein Jahr später wieder einen Bruder, den sie Georgius tauften. Schließlich kam als 4. Kind wieder ein Junge, der den Namen des Vaters Johannes bekam. Die Wohnung wurde zu klein für die große Familie. Johannes kaufte ein Grundstück am Ringplatz an der westlichen Stadtmauer wo er einen Turm mit einem Turmzimmer errichtete ,das seine privaten Kanzlei wurde. Dorthin zog er sich auch zurück, wenn er sich seinen Studien widmen wollte. Mit vierunddreißig Jahren gehörte Johannes mit seiner Familie zu den angesehensten der Stadt. Margaretha war sechsundzwanzig geworden, Hieronymus 15, Cristinella 13, Georgius 11 und Johannes 9.
Dann kam das Schicksalsjahr 1400. Margaretha war wieder schwanger mit dem 5. Kind. Sie gebar einen Jungen den Paulus. Margaretha erkrankte nach der Geburt des gesunden Jungen an Kindbettfieber an dem sie am 1.August 1400 verstarb. Johannes erlitt einen unfassbaren Schmerz. Hier stand er alleine mit seinen fünf Kindern. Der Tod hatte ihm die Mutter von seinen Kindern erbarmungslos genommen und seine junge, geliebte Frau aus dieser Welt geholt.
Eine ungeheuere Trauer überfiel ihn, er haderte mit seinem Schicksal. In seinem verzweifelten Schmerz zog er sich in sein Turmzimmer zurück und schrieb das berühmte Prosawerk „Der Ackermann und der Tod“. Das Streitgespräch umfasst 34 Kapitel. Im Kapitel 33 greift Gott ein. „Hier spricht Gott in dem Streite zwischen dem Tode und dem Kläger das Urteil aus“.
Man muss das Werk gelesen haben, um die ungeheuere Ausdruckskraft, den tiefen Schmerz nachempfinden zu können. Nach dem Tode seiner Frau wurde es immer stiller um Johannes. Sorge bereitete ihm sein jüngster Sohn Paulus der ohne Mutter schlecht gedieh und kränkelte. Auf Empfehlung seiner Tochter Cristinella und dem Egerer Ratsherrn Frankengrüner heiratet Johannes dessen verwitwete, kinderlose Schwester Clara. Sie brachte wieder Ruhe und Ordnung in sein Leben. Paulus bekam eine „Frau Mutter“ , wie er sie nannte.
1411 ging Johannes mit seiner zweiten Frau Clara ,Paulus und seinen anderen Söhnen nach Prag. Schweren Herzens verließ er Saaz die Stadt, die ihm soviel Glück und so viel Leid beschert hat. Er übernahm dort das Amt des Pronotars in der Prager Neustadt und wohnte mit seiner Familie in einem Haus in der Brenntegasse, das er gekauft hatte. Gesundheitlich ging es Johannes nicht gut. Nach einer mehr als einjährigen Krankheit verstarb er zum Jahresende 1414 in Prag.
Es liegt eine Erburkunde aus dem Jahr 1415 vor Johannes Henslin, genannt „Johannes von Saaz“ war ein Gelehrter, Philosoph, Humanist, Dichter des bedeutsamsten Prosawerkes „Der Ackermann und der Tod“, geschrieben 1400 in neuhochdeutscher Schriftsprache in Saaz. Er verschaffte damit der königlichen Stadt für kurze Zeit hohes Ansaehen und Ruhm. Durch die Gunst Kaiser Karl IV bekamen die Klöster Land für Neusiedler. Johannes Eltern profitierten davon. Saaz erhielt eine Turmuhr für das Rathaus geschenkt und wurde eine angesehene Stadt deren Einfluss bis nach Plan und Tepl reichte
In Prag wurde 1348 erste deutsche Universität gegründet, die Karlsbrücke über die Moldau und der Veitsdom erinnern an Kaiser Karl IV aber auch der Badeort Karlsbad trägt seinen Namen. Böhmen erreichte unter seiner Herrschaft eine Blütezeit und Wohlstand. Nach dem Tod des Kaisers 1378 gingen während der Regentschaft seines Sohnes Wenzel (1379 – 1419) diese Errungenschaften allmählich verloren.
Die Lockerung der Sitten, sinkende Moral, die Verweltlichung des Klerus, zunehmen-de theologische Streitigkeiten, soziale Spannungen zwischen den ärmeren tschechi-schen Bevölkerungsanteil und der wohlhabenden deutschen Oberschicht waren der Nährboden für die Lehren von Jan Hus. Er wandte sich gegen den Katholizismus und den deutschen Einfluss. 1409 verlassen die deutschen Studenten und Professoren die Karls-Universität in Prag und gründen in Leipzig eine neue Universität.
Nach dem Konzil von Konstanz wurde Jan Hus am 6.Juli 1415 auf dem Scheiter-haufen verbrannt. Danach begannen 1419 die Hussitenkriege Saaz wurde bereits im August 1419 von den Hussiten eingenommen. Im Hass auf alles Deutsche und Katholische begann ein Morden und Plündern bei der deutschen Bürgerschaft. Das Minoritenkloster wurde eingeäschert. Deutsches Schrifttum wurde verbrannt. Deshalb gibt es kaum Unterlagen über Johannes von Saaz.
Der Krieg dauerte 17 Jahre. Er richtete nicht nur in Böhmen große Verwüstungen an. Viele Städte und Dörfer wurden entvölkert. Zahlreiche Klöster, Burgen und Kunstdenkmäler wurden zerstört. Die angerichteten Schäden konnten über Jahrzehnte nicht behoben werden.
Die Vorgänge von 1419 haben sich 1945 wiederholt. Wieder vertrieb man die deutschen Einwohner, nahm ihnen Hab und Gut und zu oft auch das Leben.